Werkraum Klybeck

Die Gemeinschaften am Klybeck-Dreieck

Bei den Zwischennutzungen auf dem Werkareal im Klybeckquartier – dort wo das HUMBUG als Flaggschiff der neuen Gemeinschaften, die sich dort angesiedelt haben, zu einem Magnet für Konzert- und Partygänger geworden ist – trifft das Mozaik Pan Stoll von UNTERDESSEN zum Gespräch über das Leben und Werden auf dem Areal.

Als wir uns über die verschiedenen Gemeinschaften, die das Areal beleben und zwischennutzen, zu unterhalten beginnen, trifft unvermittelt die Polizei ein. Warmherzig werden die beiden Beamten von der Leiterin des Projekts «Migranten helfen Migranten» empfangen. Wie sich herausstellt, sollen sie einen proaktiven Kurs zu Racial-Profiling besuchen, der sie für die andere Seite der Medaille sensibilisiert und neue Perspektiven anregen soll. Beruhigt nehme ich zur Kenntnis, wie man sich kurz abspricht und ein paar Worte tauscht. Wir holen uns Kaffee und setzen uns draussen zwischen die drei Gebäude, die den engeren Kern der Zwischennutzung bilden.

Der Verein «UNTERDESSEN» regelt hier die Administration und Koordination zwischen der Eigentümerin, den Zwischennutzenden und dem Werk-Areal Klybeck. Ich erfahre, wie der eingezäunte Teil zwischen den weiter von Industrie und Stadt genutzten Parzellen seit gut eineinhalb Jahren von neuen Gemeinschaften und Akteuren belebt und umgenutzt worden ist. «Für uns ist es zentral, dass hier Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen als Gemeinschaft den Raum bekommen, ihre Projekte zu realisieren.» UNTERDESSEN vermittelt und ermöglicht für rund zwanzig unterschiedliche Gebäude, Areale und Projekte im Grossraum Basel kurze Wege und ist ein zentraler Ansprechpartner für das jeweilige Areal – und stellt quasi zwischen Stadt oder den Eigentümern und den einzelnen Betrieben der Zwischennutzung eine Schaltstelle und Vermittlungsinstanz dar. Die Erfahrung von acht Jahren Praxis auf diesem Gebiet garantieren so einen möglichst reibungslosen Ablauf und die Organisation «UNTERDESSEN» wird auf der anderen Seite für die unterschiedlichen Zwischennutzenden zu einer wichtigen Referenz, wenn sie für ihr Projekt Räume und Möglichkeiten suchen, wo sie kreativ aktiv sein können.

Vielfältiges Miteinander

So wurden beispielsweise die oberen vier Etagen des Gebäudes gegenüber vom HUMBUG von der Ateliergemeinschaft Klingental besetzt: nachdem sie ihre Atelierräume bei der Kaserne wegen Umbauarbeiten verlassen mussten, hat sich ihnen hier ein neues Zuhause auf Zeit aufgetan. Im unteren Teil dieses Gebäudes befindet sich neben dem Verein «Migranten helfen Migranten» auch die Redaktion der Mozaik-Zeitung.

Werk Raumkollektiv
An das Gebäude mit dem HUMBUG im Parterre schliesst ein weiteres drittes Gebäude an, das im Erdgeschoss vom Verein «Padel Basel» zwischengenutzt wird. Der Trendsport, der sich ähnlich wie eine Mischung aus Tennis und Squash spielt, erfreut sich wachsender Beliebtheit und so hat man hier auf dem Areal ein kleines Zentrum etabliert, wo sich die Sport-Fans treffen und sich austauschen können. Eine kleine Bouldermöglichkeit schliesst dort an die als Spielfeld zwischengenutzte Halle an und bietet so einer weiteren Trendsportart Raum und die Möglichkeit sich auf dem Areal einzunisten und ausgelebt zu werden. In den oberen Etagen der Gebäude befinden sich ebenfalls Ateliers und offene Bürogemeinschaften und im Untergeschoss zwei weitere projektorientierte Organisationen: das «WERK Raumkollektiv» und eine Gruppe von Programmierern, die sich hier als «Startship Factory» ihre Arbeitsstellen eingerichtet haben, um produktiv sein zu können: eine bunte Mischung aus Bastlern, Künstlern und Querdenkern.

Doch auf dem Areal treten die Gemeinschaften auch ausserhalb ihrer jeweiligen Räumlichkeiten in Erscheinung: Allianzen und konstruktive Interaktionen zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen helfen sich zu verständigen und das Areal auch über die blosse Zwischennutzung hinaus zu beleben. So wird das Miteinander als sehr positiv empfunden, zukunftsorientiert und offen. Man sucht nach Synergien und hilft sich gegenseitig aus. Von einer der Gemeinschaften wurde beispielsweise ein Neujahrs-Apéro abgehalten und offen für alle gestaltet: die Begegnungen dort wurden offenbar sehr geschätzt. An die 30 Leuten haben sich zu diesem Anlass eingefunden und den Austausch untereinander gepflegt.

Padel
Nach dem «Eröffnungsfest» im Mai 2019, an dem die Initiation des Areals zelebriert wurde und man die Neueröffnung feierte, fanden zudem regelmässig «Austauschtreffen» statt, welche von «UNTERDESSEN» organsiert wurden - wobei die regelmässige Absprache zwischen den Gemeinschaften im Vordergrund steht und eine Interaktion so auch darüber hinaus ermöglicht werden sollen. Die untereinander vernetzten Gruppen wie etwa «Kompost und Begrünung» und «Öffentlicher Raum» sind für die Belebung der Zwischenräume und den Outdoor-Bereich auf dem Areal zuständig und schaffen so Begegnungen ausserhalb der jeweiligen zwischengenutzten Gebäude. Das für den 16. Mai geplante «Open House» wurde einstweilen auf Eis gelegt – wartet aber weiter darauf, in näherer Zukunft realisiert zu werden. Gerade «Tage der offenen Tür» sind ein Anliegen der Zwischennutzenden sowie die Öffnung des Areals und Diskussionen werden angeregt, das Industriegelände neu auszurichten und vollständig umzunutzen für eine nachhaltige Zukunft in der Hafen- und Stadtentwicklung.

Gemeinschaft auf Zeit

Gerade in diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass es sich natürlich so gesehen um eine relativ grosse Organisation von Gemeinschaften handelt (an die 200 Zwischennutzer insgesamt), die vorerst auch nur für einen begrenzten Zeitraum zusammenkommt. Es ist bis auf weiteres ein Projekt auf Zeit. Was sich natürlich auch daran misst, wieviel Potential da noch brach liegt. Dreieinhalb Jahre sind vorerst zugesichert und der Gemeinschaft als Ganzes bleibt verhältnismässig wenig Zeit zusammenzuwachsen, wobei auch bemerkt wird, dass durchaus noch Luft nach oben besteht. Wenn man das mitdenkt, misst es sich schliesslich daran, wie die einzelnen Akteure ihre Projekte verfolgen und daran interessiert sind, die Chance auf Zeit möglichst produktiv und gewinnbringend zu nutzen – da bleibt es natürlich auch essentiell, sich auf der Ebene der Gemeinschaften und über das Areal hinaus zu vernetzen und auszutauschen. Weniger Grenzen und Abbau von Hürden zum umliegenden Quartier stehen dabei im Fokus. So war unter anderem zeitweise auch von den Betreibern des HUMBUG zusammen mit dem Platanenhof ausserhalb des Werkareals ein Mittagstisch in Planung. Doch die Zeiten haben sich geändert und die Möglichkeit sozialer Kontakte bleibt weiterhin eingeschränkt, wie es so gesehen mittelfristig nicht ablesbar war. Auch hier wird in Zeiten des social distancing das Pflegen von Gemeinschaft wohl eine neue Herausforderung darstellen.
Christoph Schmassmann 9-2020 Klybeck Zwischennutzung