Das Waaghüsli – ein Relikt des alten Schlachthofs
Am nordwestlichen Rand des St. Johanns-Park steht ein kleines, leerstehendes Häuschen. Einzig das Vordach wird als Regenschutz oder Fussballtor genutzt. Bei der Stadt und im Quartier als 'Waaghüsli' bekannt, wurde lange vermutet, dass es sich um ein Waaglokal des alten Schlachthofs handelt, in dem das Fleisch für den Verkauf gewogen wurde. Die 1870 erbaute Schlachtanstalt war eine der ersten grösseren Bauvorhaben ausserhalb des St. Johanns-Tors. Zuvor verteilten sich die Scholen (Schlachthäuser) in der ganzen Innenstadt. Diese entsorgten ihre Schlachtabfälle grösstenteils in der Birsig, welche als Seuchenherd zur Ausbreitung zweier Epidemien – Cholera 1855 und Typhus 1865/66 – beitrug. Um den unhygienischen Bedingungen in der Stadt zu begegnen, veranlasste die Regierung die Verlagerung der Schlachtbetriebe vor die Stadtmauern.
Neue Recherchen zeigen, dass das heute als Waaghäuschen bezeichnete Gebäude 1912 für den Portierdienst gebaut wurde. Mit einem Telefonanschluss ausgestattet, diente es für die Überwachung der Zufahrten zum Schlachthof. Seinen Namen bekam das Gebäude später, als der Vorplatz um eine Fahrzeugwaage ergänzt wurde.
1969 wurde der Schlachthof dann an die französische Grenze verlegt und das Areal dem Zivilschutz zur Zwischennutzung übergeben. Danach begann eine Zeit des politischen Ringens um Wohn- und Freiflächen im Quartier. Mitte der 1980er-Jahren konnte durch die Stadt eine Teilüberbauung umgesetzt werden, welcher ein Grünpark folgen sollte. Durch die Unruhen um die Alte Stadtgärtnerei, verzögerte sich jedoch dessen Umsetzung. Erst 1992 konnte der Park eröffnen, in dem eine der alten Schlachthallen als Spielburg stehengelassen wurde. Das Portierhäuschen wurde umgebaut und diente als öffentliche Toilette. 2012 eröffnete der Neubau des Pavillons im Park, für den die Schlachthalle abgerissen werden musste. Unter Einbezug der Denkmalpflege wurde das Häuschen an den jetzigen Standort versetzt und fristet seither sein beinahe unbeachtetes Dasein.
Samson Rentsch