Es war einmal im Quartier...
Ein Gespräch mit der 88-jährigen Margrit Rast fördert viele alte Erinnerungen zutage.
Ich konzentriere mich bei diesem Thema auf das Wohnumfeld. Da kommen mir etwa Veränderungen in der Beizen-Landschaft in den Sinn. Die Gebäude stehen noch, werden sogar weiterhin als Gaststätten benutzt. Wie oft aber haben z.B. am Erasmusplatz in kurzer Zeit Namen und Gerant*innen gewechselt: Da hat das jetzige «Didi offensiv» das altehrwürdige «Erasmus» abgelöst. Der alte «Stänzler» wurde für kurze Zeit zum «Wiener Beisl» und hat sich neulich zur «kleinen Freiheit» gemausert. An der Klybeckstrasse 88, im ehemaligen «Restaurant Feldberg», wo nach längerer Umbauzeit das «Projekt Feldberg» mit Co-Working-Räumen seine Tore öffnet, gab es mal die «Lady Bar», wo man früher am onntagnachmittag das Tanzbein schwingen konnte: Vergangene Zeiten!
Wer erinnert sich noch an die schöne Buchhandlung «Abraxas» am Erasmusplatz, dort wo jetzt der «Bachegge» Brot und Gebäck verkauft? Im Abraxas bekam ich stets beste Buchempfehlungen für meine Göttigeschenke durch die 1989 verstorbene Christine Ehrsam. Ja und überhaupt: All die Verstorbenen! Da will ich gar nicht erst anfangen, sondern mich auf das Quartierbild konzentrieren.
Margrit Rast erzählt
Ich befrage Leute aus dem Quartier, welche schon länger hier wohnen als ich. z.B. Margrit Rast, 88, gern zu einem Schwatz auf dem Trottoir bereit. Ich besuche sie in ihrer Wohnung in einem Wohnblock der 50-er-Jahre, wo sie seit 57 Jahren wohnt – ihr Mann ist vor 14 Jahren vestorben, er wäre jetzt 90! Ihre beiden Töchter waren beim Einzug 3 und 9 Jahre alt. Die Familie «floh» damals aus der sehr lärmigen Mühlhauserstrasse.
Frau Rast fängt bald an, Erinnerungen auszupacken: Erinnerungen an den bereits dazumal existierenden Coiffeursalon im Parterre ihres jetzigen Wohnblocks: «Dort wurden auch wohltuende Fuss-Massagen angeboten. Es gab in der Bärenfelserstrasse vier Coiffeursalons! Überhaupt existierten zahlreiche kleine Läden, ich glaube es waren deren fünf. In der Liegenschaft Nr. 36 war ein Coop. Dort ist ja noch das alte Schaufenster.»
Dahinter wirkt seit etwa 30 Jahren ein privater Quartiertreffpunkt namens «Bäizli». Es gab auch, erinnert sie sich, eine Bäckerei in der Strasse. Einer der Lebensmittelläden stand in der Bärenfelserstrasse 30, von wo aus noch in den 80-er-Jahren Milchmann Urs Borer seine Produkte zu den Leuten brachte.
«An der Leuengasse 16 führte die nette Frau Meier, mit der man gut ein Schwätzchen machen konnte – das konnte man früher halt noch! – einen Gemüse laden. Jedoch nicht in dem heutigen Wohnblock. Denn damals säumten zahlreiche kleine Häuser die Leuengasse.»
Im damaligen letzten Haus der
Leuengasse gegen den Rhein, wo jetzt ein grosser Neubau steht, stand ein viel besuchtes Restaurant. An den Namen des Restaurants erinnert
sich Frau Rast nicht mehr. Gut jedoch erinnert sie sich an die Sonntag-Nachmittags-Tänze im «Feldberg», ebenso an die von zwei Brüdern geführte «Sirpflistube», wo es immer Musik ab Automat gab.
Dieses Lokal an der Ecke Breisacherstrasse/Oetlingerstrasse hat seither mehrfach Namen und Besitzer gewechselt (zuletzt «per tutti») und befindet sich auch aktuell wieder im Umbau.
Auch Gewerbebetriebe gab es früher viel mehr. Die Schreinerei Gutzwiller – heute u.a. Sitz der «Theater Garage» – hat man wochentags täglich mit ihrem Lärm wahrgenommen, man konnte da aber auch problemlos zerbrochene Fenster flicken lassen. Frau Rast erinnert sich auch an das Sanitätsgeschäft Stebler in der Breisacherstrasse 50. Dort befindet sich heute die Rumzeis-Druckerei und der Ausstellungsort «Bellevue».
Es ist eine kleine Welt, die hier geschildert wird. Manche Leser und Leserinnen könnten Ähnliches berichten aus ihren Strassenzügen. Frau Rast erinnert sich aber noch an eine Änderung, die das ganze untere Kleinbasel betrifft und die für Menschen wie Frau Rast einschneidend
Die entsprechenden Kirchen werden nach wie vor genutzt. Aber dass die Organisationen sich zu grösseren Verbänden umgestalten mussten, verweist auf grössere kulturelle Veränderungen im Umfeld des ganzen Quartiers.
Benno Gassmann